Die Stele von Doliche

Am 18.09.2007 wurde eine Basaltstele mit der ersten Darstellung des Gottes von Doliche und seiner Partnerin aus dem Heiligtum von Doliche entdeckt. Wie kein anderer Fund gibt sie Auskunft über das den Charakter des Götterpaares und die Vorstellungen, die den Glauben der Menschen prägten.

Die Stele ist in zwei Felder geteilt: Die obere Zone zeigt die Welt der Götter, die kleinere untere Zone hingegen die der Menschen. Zwei Männer stehen um einen Altar und opfern. Auf dem Kopf tragen sie spitze hohe Hüte, in der linken Hand halten sie einen Zweig. Diese sind typische Merkmale von Priestern im antiken Syrien. So sind z. B. ganz ähnliche Bilder von Priestern aus dem Heiligtum der Großen Syrischen Göttin von Hierapolis, 80 km südöstlich von Doliche, überliefert.

In der oberen Zone steht links Iuppiter Dolichenus auf einem Stier. Bekleidet ist er mit einem knielangen Schurz mit Fransenborte. An einem breiten Gürtel hängt ein Schwert. Der Gott trägt einen langen spitzen Bart, der weit auf die Brust herabfällt. Den Kopf bedeckt eine hohe Kappe, die mit kleinen Hörnerpaaren geschmückt ist. Das lange Haupthaar fällt zum Zopf geflochten in den Rücken hinab und rollt sich am Ende ein. In der vorgestreckten Linken hält der Gott ein Blitzbündel. Die Blitze sind als mächtige Waffen und als Zeichen der Herrschaft über das Wetter zu sehen. In der erhobenen Rechten hält der Gott eine Doppelaxt.

Die Darstellung des Gottes folgt einem bekannten Muster, das seit dem 3. Jt. v. Chr. für viele Wettergottheiten des Nahen Ostens üblich war. Dies wird z. B. im Vergleich mit einer der Wettergottstelen aus Tell Ahmar (9. Jh. v. Chr.) deutlich. 

Die weibliche Göttin, als Iuno Regina bekannt, steht rechts vom Gott auf einem Hirsch. Ihr knöchellanges Gewand wird von einem sehr breiten, aus vier Reifen gebildeten Gürtel gehalten ist. Ein Mantel fällt über die linke Schulter herab. Teile des Hinterkopfes sind verloren. Sie trägt eine quadratische Kappe (Polos). Das lange Haar fällt im Nacken herab. In ihrer rechten Hand hält sie einen runden Spiegel, ein typisches Attribut von Göttinnen, genauso wie Granatapfel in der Linken, Symbol der Fruchtbarkeit.

Wie Iuppiter Dolichenus ist auch Iuno auf der Stele nicht von Darstellungen von Göttinnen aus viel früherer Zeit zu unterscheiden. Man vergleiche sie etwa mit einer Stele der Kubaba aus Nordsyrien im British Museum (9. Jh. v. Chr.).

Zwischen den Göttern ist ein stilisierter Lebensbaum zu sehen, der genauso wie die Trauben am oberen Bildrand die lebenspendende Kraft der Götter ausdrückt.

Wann wurde die Stele angefertigt? Trotz der altertümlichen Darstellung ist sie erst in hellenistisch-römischer Zeit entstanden. Das ist vor allem an der Opferszene zu erkennen, etwa an der Form des Altars. Gleichzeitig zeigt die Stele, wie stark auch in dieser Zeit noch die Gottesvorstellung in der altorientalischen Vorstellung verwurzelt ist.