Archäozoologie

Von Riten und Kulthandlungen in der Antike berichten uns die griechischen und römischen Sagen, die antiken Dichter oder auch die Bibel. Solche Handlungen hinterlassen aber in vielen Fällen nur ausnahmsweise Spuren, die sich auch durch die Jahrhunderte und Jahrtausende erhalten. Tieropfer, die in antiken Kulten eine große Rolle spielten, gehören hier zu den besonderen Glücksfällen, denn die Knochen der Opfertiere erhalten sich im Erdboden vergleichsweise gut.

In zwei Arbeitskampagnen (2007 und 2008) wurden bislang ca. 30 000 Tierreste vom Dülük Baba Tepesi untersucht, die allesamt aus archaischen Fundkomplexen (7. bis 5. Jh. v. Chr.) stammen. Das Fundgut unterscheidet sich in seiner tierartlichen Zusammensetzung deutlich von jenem Spektrum, wie man es normalerweise im archäologischen Fundgut aus profanen Siedlungen der Region vorfindet. Offensichtlich haben wir es hier nicht mit Speiseabfällen im üblichen Sinne zu tun, sondern mit Relikten von rituellen Schlachtungen und Kultmahlen, die einst auf dem Dülük Baba Tepesi stattfanden.

Aus unseren bisherigen Analysen lassen sich die Kulthandlungen bereits recht detailliert beschreiben: Die Besucher des Heiligtums trieben überwiegend Lämmer und Jungschafe, seltener Kälber und Jungrinder auf den heiligen Berg. Ältere Rinder und Schafe, sowie Ziegen, Schweine und Wildtiere wählte man nur ganz vereinzelt als Opfertiere. Die für die Gottheit ausgesuchten Tiere wurden auf dem Berg getötet, gehäutet und zerlegt. Im Gegensatz zum Schlachtkörper, der als Teil einer Kulthandlung den Kultbezirk nicht mehr verlassen durfte, wurde das Fell nach dem Abziehen wieder aus dem Heiligtum entfernt. Der hintere Unterschenkel wurde anschließend abgetrennt und der Gottheit auf dem Altar als Opfer dargebracht, wo er komplett verbrannte, so dass nur mehr weiße (kalzinierte) Knochenfragmente übrig blieben. Der Rest des Opfertieres wurde von den Gläubigen beim Kultmahl verspeist. Ein Rätsel gibt uns noch der Verbleib der linken Körperhälften auf, die zahlenmäßig stark unterrepräsentiert sind. Handelt es sich um den Anteil, der den Priestern zustand, weshalb diese Knochenreste nicht im Abfall im Heiligtum zu finden sind?

Aufgrund dieser Befunde zeigt sich, dass sich das archaische Tieropfer für die Gottheit von Doliche deutlich vom griechischen Tieropfer unterscheidet, wie Homer es beschreibt und welches sich im Knochenfundgut des Aphrodite-Heiligtums von Milet (Westtürkei) bestätigt findet: Die Griechen verbrannten auf den Altären ihrer Götter die beide Oberschenkel der Opfertiere.

In den zukünftigen Arbeitskampagnen sollen nun untersucht werden, ob die speziellen Regeln für das Tieropfer in nach-archaischer Zeit beibehalten wurden, oder ob mit der Einbeziehung der Region in die griechische Machtsphäre und später ins römische Reich eine Angleichung der Kultpraxis an das der Eroberer stattgefunden hat.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Dr. Joris Peters,
Dr. Nadja Pöllath
Institut für Paläoanatomie und Geschichte der Tiermedizin
Ludwig-Maximilians-Universität, München
Kaulbachstr. 37
80539 München
joris.peters(at)palaeo.vetmed.uni-muenchen.de
nadja.poellath(at)palaeo.vetmed.uni-muenchen.de

Projektseite des Instituts für Paläoanatomie der LMU München