Grabungen im Stadtgebiet von Doliche

Urbane Zentren der hellenistisch-römischen Zeit sind im Nahen Osten nur unzureichend erforscht.  Insbesondere für die Landschaften Kommagene und Kyrrhestike im antiken Nordsyrien, heute Teil der Südosttürkei, gilt, dass Informationen zu Struktur, Topographie und kulturellem Milieu von Städten weitgehend fehlen. Die wichtigsten Orte, die für solche Untersuchungen in Frage kämen, sind entweder stark überbaut (Antiocheia am Orontes, Edessa, Germanikeia, Nikopolis), überflutet (Samosata, Zeugma) oder wegen des syrischen Bürgerkrieges auf unabsehbare Zeit nicht mehr zugänglich (Kyrrhos, Hierapolis, Beroia, Chalkis, Apameia am Orontes). Um paradigmatisch das kulturelle Milieu einer hellenistisch-römischen Stadt im antiken Nordsyrien zu erforschen, bietet vor allem die antike Stadt Doliche die besten Voraussetzungen.

Projektübergreifendes Ziel ist die Klärung zentraler Fragen zur materiellen Kultur und historischen Entwicklung des nordsyrischen Binnenlandes: Wie vernetzt war eine Stadt wie Doliche im syrischen Hinterland, wie in den regionalen und überregionalen Waren- und Güterverkehr eingebunden? Wie stark war die Stadt in hellenistischer Zeit griechisch-makedonisch geprägt? In welchem Maße waren vorhellenistische Traditionen, die sich im benachbarten Iuppiter Dolichenus- Heiligtum fassen lassen, in der Stadt präsent? Wie gestaltet sich der Übergang zwischen später Eisenzeit und Hellenismus im syrischen Binnenland? Hier steht mit Jebel Khalid lediglich eine offenbar stark vom seleukidischen Militär geprägte Siedlung zur Verfügung, wohingegen in den übrigen relevanten Städten die hellenistische Epoche nur schwer zu fassen ist. Daran schließt sich die Frage an, in welchem Maße der Beginn römischer Herrschaft eine Änderung der Lebensverhältnisse und der materiellen Kultur mit sich brachte. Für Kommagene gewinnt man den Eindruck, dass erst nach diesem Ereignis von einer nachhaltigen Hellenisierung und auch Urbanisierung gesprochen werden kann. Dieses Phänomen ist auch für anderen Regionen Syriens postuliert worden. Belastbare Befunde aus Stadtgrabungen, die eine differenzierte Analyse erlauben, fehlen allerdings. Hier versprechen die Arbeiten in Doliche neue Grundlagen schaffen zu können.

Ziele der ersten Projektpahse sind die archäologische Untersuchung der spätantiken Bebauung am Südhang des Keber Tepes und  die Untersuchung eines öffentlichen Bereichs der Stadt mit kaiserzeitlicher Badeanlage auf dem Ostplateau des Keber Tepe.

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Michael Blömer