Architektur

Das Bild des Grabungsgeländes wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Mauerzüge bestimmt: Der Bruchsteinsockel einer monumentalen eisenzeitlichen Lehmziegelarchitektur, unterschiedliche Quadermauern hellenistischer und kaiserzeitlicher Baustrukturen sowie spätantike und frühmittelalterliche Spolienmauern zeugen von einer Jahrhunderte umfassenden Baugeschichte. Die generelle Heiligtumsstruktur in Form zweier, durch Temenosmauern begrenzter Terrassen verbindet das Kultzentrum auf dem Dülük Baba Tepesi mit einer Gruppe vergleichbarer Gipfel- oder Bergheiligtümer der kleinasiatisch-nordsyrischen Region. Zudem erlauben zahlreiche ornamentierte Architekturglieder und Dekorfragmente trotz ihres fehlenden ursprünglichen Bauzusammenhanges und der meist kleinteiligen Erhaltung weiterführende Aussagen zur architektonischen Monumentalisierung des Jupiter-Dolichenus-Heiligtums. Das Fundspektrum der dokumentierten Bauglieder und Fragmente belegt vor allem einen intensiven Ausbau in der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr., bei dem römische Bau- und Dekorformen dominieren. Besondere Bedeutung kommt hier korinthischen Säulen- und Pilasterkapitellen, soffittengeschmückten Architravsteinen und Blöcken eines ionischen Konsolengeisons zu, die sich aufgrund ihrer außergewöhnlichen Proportionen einer repräsentativen frühkaiserzeitlichen Monumentalarchitektur zuordnen lassen: dem wahrscheinlich als Prostylos mit betonter, säulengeschmückter Front herausgehobenen Tempel des Iupiter Dolichenus. Dorisch-ionische Kapitelle mit plastischem Eierstab sowie zahlreiche Kapitellfragmente tuskanischer Ordnung bieten konkrete Hinweise auf eine zeitgleiche Gestaltung des von größeren Hofflächen geprägten sakralen Bezirks durch verschiedene Hallenarchitekturen. Spezifische Werktechniken und charakteristische Dekorformen der einzelnen Bauglieder aus dem dominierenden, hellen Kalkstein, der offensichtlich in nahe Steinbrüchen westlich des Heiligtums gebrochen wurde, lassen lokal arbeitende Steinmetz-Werkstätten erkennen.

Obwohl es in der mittleren Kaiserzeit zu einer Neugestaltung großer Heiligtumsbereiche mit einem Pflaster aus polygonalen Basaltplatten kam, lässt das Fundmaterial einen deutlichen Rückgang in der Bautätigkeit erkennen. Lediglich für wenige kleinteilige Fragmente kann eine trajanisch-hadrianische Entstehungszeit erwogen werden. Auch im mittleren 2. Jh. n. Chr. scheint es Baumaßnahmen nur in begrenztem Umfang gegeben zu haben. Erst in spätantoninisch-severischer Zeit bzw. der 2. Hälfte des 2. / 1. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. kommt es offenbar zu einem neuerlichen baulichen Aufschwung. Hierauf verweisen zahlreiche Fragmente, überwiegend Akanthusbruchstücke korinthischer oder kompositer Kapitelle, die flächendeckend im gesamten Gebiet des Heiligtums als Streufunde zutage traten.
 Anlage und Größe des mit einer vielfältigen und luxuriösen Heiligtums- und Sakralarchitektur ausgestatteten Kultbezirks auf dem Dülük Baba Tepesi rechtfertigen es, das Zentralheiligum des Iupiter Dolichenus in eine Reihe mit den großen ausstrahlenden Kultzentren im östlichen Mittelmeerraum – wie etwa Hierapolis-Bambyke oder Heliopolis-Baalbek – einzureihen.

Ansprechpartner

PD Dr. Werner Oenbrink
Archäologisches Institut der Universität zu Köln
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