Grundzüge der historischen Entwicklung Doliches

Bereits viele Tausend Jahre bevor die Stadt Doliche auf dem Keber Tepe gegründet wurde, lebten hier Menschen. Die noch heute eindrucksvollen Felsüberhänge sind von den umherwandernden Gruppen von Menschen in der Altsteinzeit (etwa ab 300.000 v. Chr.) regelmäßig als Unterschlupf genutzt worden. Türkische Grabungen in dem Bereich nördlich des Eingangs zu den Mithräen konnten in den 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zahlreiche Steinwerkzeuge dieser frühen Epochen bergen. Auch auf den Hängen und Terrassen des Çimșit Tepe, oberhalb des Dorfes Dülük, sind zahlreiche Steinabschläge und Steinbeile der Altsteinzeit entdeckt worden, die auf eine Werkzeugproduktion an diesem Ort hinweisen. Damit gehört Doliche/Dülük zu den ältesten bekannten menschlichen Siedlungsplätzen in Anatolien.

Nach dem Tode Alexanders des Großen, der Anatolien und den Orient erobert hatte, wurde die Region um Gaziantep Teil des Seleukidenreiches. Dieses Reich ist benannt nach seinem Begründer Seleukos, der ein General Alexanders war und nach dessen Tod Kleinasien, Syrien und den Mittleren Osten beherrschte. Seine Nachfahren herrschten bis 64. v. Chr über Syrien. Unter den seleukidischen Königen entwickelte Doliche einen städtischen Charakter, wobei wahrscheinlich ist, dass es bereits eine eisenzeitliche Vorgängersiedlung gab. Der Ort bot sich an, denn er lag an einer wichtigen Straße, die Mesopotamien und Anatolien miteinander verband, geschützt am Rande einer fruchtbaren Ebene. Zudem befand sich auf dem nahe gelegenen Dülük Baba Tepesi ein altehrwürdiges Heiligtum für den in Nordsyrien und Anatolien verehrten Sturm- und Gewittergott. Dieser Gott wurde zum Hauptgott der neuen Stadt Doliche. Das Heiligtum war für die Entwicklung der Stadt sehr wichtig, da es bereits renommiert war und viele Menschen anzog.

Details der Geschichte der Stadt in hellenistischer Zeit sind unbekannt. Sicher ist allerdings, dass Doliche im 1. Jh. v. Chr. nicht mehr zum Seleukidenreich gehörte, sondern zum Königreich Kommagene, das in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. im Bereich der Provinz heutigen Adiyaman entstandne war und die Landschaft zwischen Taurus und Euphrat umfasste. Kommagene ist vor allem durch Bauten und Inschriften seines wichtigsten Königs, Antiochos I., bekannt, dessen Grab auf dem Nemrut Dag weltberühmt ist. Wie an vielen anderen Orten seines Reiches ließ der König sich auch im Heiligtum von Doliche als Gott verehren. Davon zeugt eine Inschrift, die sich heute im Museum Gaziantep befindet.

Doliche gehörte nicht lange zum Königreich Kommagene. Schon 30 v. Chr. übernahmen die Römer die Herrschaft über Doliche und Zeugma. Die römische Herrschaft bedeutete eine Zeit des Aufschwungs für die Stadt. Auf der Straße, an der Doliche lag, kamen Handelsgüter aus dem Osten in das römische Reich. Wegen der vielen Kriege, die Rom gegen die Parther und Perser führten, mussten hier häufig auch römische Soldaten aus anderen Gebieten des Reiches in Richtung Osten ziehen. Viele dieser Soldaten zählten zu den Verehrern des Gottes von Doliche, der von ihnen mit dem lateinischen Namen Iupiter Dolichenus angerufen wurde. Die Soldaten trugen seine Religion in alle Teile des römischen Reiches. So finden sich heute Tempel für den Dolichener Gott in England, Deutschland, Italien, Spanien und vor allem in den Donauländern. Um 200 n. Chr. war Iupiter Dolichenus einer der wichtigsten Götter der antiken Welt. Die Stadt und vor allem das Heiligtum auf dem Dülük Baba Tepesi profitierten von dem Ruhm des Iupiter Dolichenus. Die weitläufige und heute zugängliche Stadtnekropole mit über 100 Gräbern zeugt  von einem gewissen Wohlstand der Stadt in dieser Zeit. Die Blütephase Doliches fand jedoch ein gewaltsames Ende. Der Perserkönig Šāpūr I. besiegte in mehreren Kriegen die Römer und zerstörte auf einem Feldzug im Jahre 253 n. Chr. vermutlich die Stadt und das Heiligtum .

Im 4. Jh. n. Chr. hatte sich Doliche wie die gesamte Region wieder erholt. Inzwischen hatte sich der christliche Glaube durchgesetzt. Das Heiligtum des Iupiter Dolichenus hörte im Lauf des 4. Jh. n. Chr. auf zu bestehen. Doliche wurde Bischofssitz. Vom Wohlstand der Stadt in dieser Zeit zeugen die neuentdeckten Reste aufwändiger Wohnbebauung des 4.-6. Jh. n. Chr. Auch christliche Kultbauten sind erhalten. Zwei Felskirchen befinden sich westlich der antiken Steinbrüche außerhalb des Stadtgebietes, am Rande der Stadtnekropole. Beide Kirchen sind zwischen dem 6. und 9. Jh. entstanden. Eindrucksvoll ist insbesondere die wegen der beiden Treppen, die den Eingang flankieren, Basamaklı Mağara (Stufenhöhle) genannte Kirche. Sie weist eine reiche Dekoration auf, zudem ist eine Bauinschrift in syrischer Sprache erhalten.

Im 7. Jh. n. Chr. erobern die Araber Doliche und machen die Stadt zu einer Grenzfestung gegen das byzantinische Reich. Im 10. Jh. n. Chr. gelingt es den Byzantinern, die Stadt zurückzuerobern. Doliche erlangt in dieser Zeit als Verwaltungshauptstadt der Region ein letztes Mal Bedeutung. Nach der Rückeroberung durch die Araber nach der Schlacht von Manzikert 1071 n. Chr. wird Doliche im 12. Jh. n. Chr. zunächst von den Kreuzrittern besetzt, im Jahr 1156 n. Chr. aber durch Nurettin vollständig zerstört. Danach verlor Doliche seine Rolle als Vorort der Region an das benachbarte Ayntab/Gaziantep.