Die Mithräen von Doliche

Zu einem unbekannten Zeitpunkt entstand um die Gestalt des ursprünglich iranischen Gottes Mithras eine Mysterienreligion, die im 2. und 3. Jh. n. Chr. im gesamten Römischen Reich äußerst populär war und uns aus zahlreichen Denkmälern der Kaiserzeit, insbesondere aus Italien und verschiedenen Ländern der westlichen Mittelmeerwelt gut bekannt ist. Im Zentrum der Mithrasmysterien steht die Tötung des Stieres, Symbol des irdischen Lebens, aus dessen Blut neues Leben entsteht. Im Mythos wurde der Lichtgott und Weltenbeherrscher durch die Tötung des heiligen Stieres somit zum Schöpfergott. Verehrt wurde der aus dem Fels geborene Mithras in sogenannten Mithräen, die Höhlen oder Grotten nachahmen. Wie im Mythos Mithras und der Sonnengott Sol das Fleisch des Stieres verzehren, so feiern auch die Mithrasanhänger in ihren Kultstätten das gemeinsame Mahl, um zum ewigen Licht zu gelangen und somit die Unsterblichkeit ihrer Seelen zu erhalten.

Die Mithräen in Doliche wurden 1997 und 1998 unterhalb des antiken Siedlungshügels von Doliche entdeckt. Sie sind in einem aufgelassenen unterirdischen Steinbruch angelegt worden. Zwei Kultreliefs lassen trotz starker Zerstörungen die bekannte Darstellung des stiertötenden Mithras erkennen. Die Existenz zweier nebeneinander liegender Mithräen weist auf eine große Zahl von Anhängern der Mithrasmysterien in Doliche. Beide Mithräen vermitteln aufgrund ihrer Ausmaße den Eindruck großer Hallen. Sie zählen zu den größten bisher bekannten Mithäen in der gesamten Mittelmeerwelt überhaupt, wenn auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Höhlen durch Einbauten verkleinert worden waren.

Bis zur Entdeckung der Mithräen im Jahre 1997 durch die Forschungsstelle Asia Minor erlaubte lediglich ein 1m x 1m großer Einstieg den Zugang zu Mithräum 1, Mithräum 2 war noch völlig versiegelt. Dies war die Folge jahrhundertelanger Erosion. Von dem Hang oberhalb der Höhlen rutschten Erde und Steine herab, die das Bodenniveau vor dem Eingang zu den Mithräen im Laufe der Zeit um bis zu 6 m anhoben. Heute ermöglicht eine Schneise durch diesen Schutt den Zugang. In der Antike lag das gesamte Gelände um den Eingang viel tiefer. Daher war die Höhlenanlage viel offener und die Mithräen mussten durch Mauern nach außen abgeschlossen werden.